Sonntag, 1. Dezember 2013

Part I.


Es ist dunkel, die Sterne glitzern am Himmel. Es ist eine kalte Winternacht, ich forme meine Lippen wie ein Fischmaul, hauche einige Wolken in die Luft, während ich einen Schritt nach dem anderen gehe. Der Asphalt wird immer spürbarer an meinen Füßen, was vielleicht daran liegt, dass ich meine Stoffschuhe angezogen habe, deren Sohle schon leicht angeschlagen sind. Ich weiß nicht, warum sie jeden Tag, nach und nach mehr verfallen. An meinen Zigaretten kann es ja schlecht liegen. Hastig ziehe ich einen dieser Glimmstängel aus meiner Tasche, mein Feuerzeug dazu, setze es an die Zigarette und ziehe einmal kräftig. Taubheitsgefühl in meinem ganzen Körper, mein "Keine-Lust-Gefühl" verschwindet für einen kurzen Augenblick. Doch wohin führt es mich? Eine Freundin hatte mich gefragt, ob ich mit zu einer Feier gehen würde, mitten im Nirgendwo. Mein Vater hatte mich am Rande der Hauptstraße raus gelassen, den restlichen Weg beschloss ich allein zu
gehen. Auch, wenn ich immer so unfassbar lässig getan hatte, war es doch so, dass ich wahrscheinlich nicht aus dem Auto gestiegen wäre, wenn die Laternen am Rand der Straße nicht ihr weiß schimmerndes Licht an den Asphalt überreichen würden. Nun ja, jetzt laufe ich trotzdem, zische das rauchförmige Nikotin zwischen meine Lippen hindurch, erblicke das Haus, welches am Ende der Straße hell erleuchtet. Die Musik dröhnt durch meine Ohren, ich erkenne jeden einzelnen Ton, erkenne jede einzelne Zeile des Liedes. Wahrscheinlich laufe ich noch 4-5 Minuten, woraufhin ich meine weißen Kopfhörer entknote, sie mir in die Ohren stecke und den Player meines Handys öffne. 'Irgendwo anders' - lange nicht gehört, ziemlich nachdenklich. Ich fühle mich allein, warte nun schon seit Monaten auf diesen Augenblick, der unvergesslich bleiben würde. Schicksalsbegegnungen, alle Momente vom Schicksal bestimmt. Wer weiß schon, ob es das überhaupt gibt. Langsam schreite ich die Treppe hinauf, streiche noch einmal über meine Bluse, richte meine roten Haare, bevor ich an der Tür klingel', die Einladung zeige und eintrete. Überall Menschen, ich weiß nicht einmal, weshalb diese Fete steigt. Ja, die eine Freundin, die mich nun eingeladen hatte, ist nicht zu sehen. Ich starre in einen Raum voller Menschen, im Alter zwischen 17-30, tanzend zur Musik, die laut aus den Boxen dröhnt. Bunte Lichter fluten das ganze riesige Zimmer, welches wahrscheinlich ursprünglich ein Wohnzimmer sein würde. Ich sehe mich etwas um, realisiere, dass in diesem Haus unglaublich viele Räume existieren, die ich mir am liebsten alle angesehen hätte. Ich habe hier nichts zu suchen, bei den tanzenden Menschen, den freudigen Gesichtern. Dass sich das jedoch ändern würde, ahne ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.



Gefühlte zwei Stunden später sitze ich auf einem dieser weißen Drehsessel, die überall im Raum verteilt sind. Lässig positioniere ich mich etwas weiter rechts und sehe mich um. Ich bemerke, dass es an der Tür klingelt, es wird geöffnet. Ich wende meinen Blick kurz Richtung Tür, sehe zwei Personen, eine Frau, 19 Jahre alt, einen Teenager, 13-14 Jahre alt, schätze ich. Die Melodie eines mir bekannten Liedes pulsiert in meinen Adern, mein Blick gleitet zu dem Mädchen, welches ihre schwarzen Haare kurz trägt. Cooler und lässiger Schnitt, gestylt, schwarze Brille, graue Weste, dunkle Hose. Ihr Oberteil ist relativ eng anliegend, sodass die Form ihrer Brüste gut zu erkennen ist. Jeder, der etwas mit mir zu tun hatte, weiß, dass ich eine Vollblutlesbe bin und niemals mehr etwas mit einem Jungen anfangen würde. Es gibt nichts besseres, als weibliche Körper, Brüste, breite Hüften und weibliche Geschlechtsteile. Natürlich habe ich mir schon einige Bilder von nackten Frauen angesehen, habe auch schon eine lesbische Beziehung durchlebt. Ich stehe dazu. Lesbische Liebe, Sex, Berührungen - für mich etwas, was mein Leben bereichert hatte, schon immer. Natürlich, Sex war kein großes Tabu-Thema, ich hatte ihn auch schon einige Male. Das Lied, welches nun durch das Haus schallt, wird mir klarer - 'Up in the air', die Zeit bleibt kurz stehen. Trommelschläge. Sechs Stück an der Zahl, die dem Lied Spannung verleihen. Mitten in der Menschenmenge dreht sich das schwarzhaarige Mädchen um, sieht mir direkt in die Augen. Ich schätze, sie steht etwa 100 Meter von mir entfernt und nun sieht sie mich an, während ich ihr ausweiche. Warum sieht sie mich denn so an? Habe ich was gemacht? Nervös suchen meine Hände nach der Zigarettenschachtel. Meine Augen fahren währenddessen automatisch wieder zum anderen Ende des Raumes, dort, wo sie steht. Sie erscheint mir unglaublich attraktiv, ihr verschmitztes Grinsen, welches sie aufsetzt, als sie eine mir Unbekannte anspricht. Hastig sehe ich an mir herunter. Mein weißes, enges Top, welches ich unter der Bluse trage, konnte ich gut sehen und es sieht noch nicht mal so blöd aus. Auch, wenn ich nun gar nicht der Typ bin, der gerne weiß trägt, bin ich dieses Mal ausnahmsweise stolz auf meinen Kleiderschrank. Eine Schweißperle tropft mir von der Stirn. Ich öffne einen Knopf meiner Bluse. Wieder erwische ich mich dabei, wie ich zu ihr sehe. Unsere Blicke treffen sich, sie lächelt. Ist das nun an mich gerichtet? Ohne eine Antwort in meinem Kopf, erhebe ich mich langsam, streife meine Hände über meine Bluse und laufe über die "Tanzfläche". 'I wrap my hands around your neck so tight with love' .. der Geruch von Gras, Zigarettenrauch und verschiedenen Parfums
steigt mir in die Nase. Meine Augen schließen und öffnen sich gleichmäßig, meine Lippen sind etwas geöffnet, als ich ihr immer näher komme. Ich will nicht zu viel Aufmerksamkeit erregen, senke meinen Kopf, starre auf meine Schuhe, die mich über das Parkett tragen. Fünf, vier, drei, zwei, eins - mein Kopf hebt sich, meine Haare fliegen über meine Schultern. Meine braun-grünen Augen treffen ihre. Ich sehe nur, dass sie sehr dunkel sind.  Ich streife meine Haare aus dem Gesicht. Sie trägt eine weiße Uhr, erscheint mir ungefähr so groß wie ich. Ihr Körper, ihre gesamte Gestalt erscheint mir, als könne sie jemanden beschützen, gleichzeitig das beste Kissen der Welt sein. Doch bevor ich mir noch mehr dieser Fantasien ausmalen kann, werde ich durch einen wohltuenden Strom aus meinen Gedanken gerissen. Ich scheine so dicht an ihr vorbei gelaufen zu sein, dass ihr Arm, ihre Hand nun meine(n) streift. Ich zeige keinerlei Reaktion. Was ist los? Ich erstarre, spüre wohlige Wärme in meinem Körper. Verlegen, etwas verwirrt beiße ich mir auf die Unterlippe und verlasse den Raum. Etwas schneller laufe ich die Treppe hinauf, einfach um zu sehen, was sich dort befindet. Ein Balkon - das kommt mir gerade recht. Ich habe bisher noch mit niemandem auf dieser Feier geredet, was mir letztendlich doch sehr vorteilhaft erschien. Wer weiß, was sie mir untergeschoben hätten. Crystal? Gras? Und am besten noch eine dieser lustigen Tabletten im Amaretto? Nein, danke. Ich setze meinen Gang nach draußen fort, zünde mir eine weitere Zigarette an und blase den Rauch zwischen meine Lippen hindurch. Ich sehe in die Ferne, lediglich Bäume und die weißen Laternen kann ich erkennen. Zwei Personen, die gerade noch neben mir stehen, verschwinden ins warme Haus. Nun bin ich allein. Wie so oft. Einfach allein, unter dem Sternenhimmel, nur die Sterne und ich. Ich erschrecke, als ich höre, wie sich die Balkontür schlagartig öffnet. Hoffentlich hat das keiner gesehen, denke ich, denn es erschien mir schon peinlich genug allein hier rumzustehen. Ein weiterer Zug an der Zigarette. Der Rauch fliegt in die Ferne. Ich sehe, wie sich eine Person einige Meter von mir entfernt stellt, traue mich jedoch nicht sie anzusehen. Trotzdem bemerke ich, dass sie mich ansieht, ich spüre das. Ich atme tief ein und drehe meinen Kopf zur Seite, bis ich realisiere, dass sie wirklich da steht. Ja, sie! Sie lächelt. Wieder atme ich tief ein, weil mich ihre Blicke nervös machen. Nervös? Ach quatsch. Ich habe doch überhaupt keinen
Grund nervös zu sein. Ein innerer Instinkt sagt mir jedoch, dass ich zurück lächeln soll, was ich im letzten Augenblick auch wahr mache. Ich erwische mich wieder, dass ich meinen Blick nur einige Sekunden von dir abwenden kann. Was sie wohl denkt? Ob sie meine Blicke realisiert? Ob sie es für unangenehm empfindet? Ich spüre einen seltsamen Zug in meinem Körper. Plötzlich steht sie neben mir, ihre Hand auf meinem Oberarm. Ich zucke zusammen. "Hast du Feuer?", fragt sie mich mit ihrer warmen Stimme. Das muss wahrhaftig die schönste Art gewesen sein, "Hast du Feuer?" zu fragen. Noch ganz durcheinander krame ich wieder nach meinem Feuerzeug, während ich ein breites Grinsen auf meinen Lippen trage. Ich hole das Feuer heraus, lege es ihr in ihre Hände. Ihre Hände.. größer als meine und warm. Ich sehe sie wieder an, atme tief durch, während sie sich ihre Zigarette anzündet. Pall-Mall blau, jep, meine Marke. Wir schweigen uns an. Irgendwie spüre ich etwas. Soll ich was sagen? Sie wirft mir einige Blicke zu, gibt mir erst etwas später das Feuer wieder. Unsere Hände.. berühren sich, wie in Zeitlupe gleiten sie aufeinander, obwohl es vielleicht einige Sekunden gewesen sein müssen. Erschrocken sehen wir uns an, gleichzeitig reißen wir die Augen auf. Ihre Mundform ist großartig, sie hat volle Lippen, welche ihr Gesicht noch sinnlicher erscheinen lässt. Ich genieße diesen mir unendlich lang andauernden Zeitpunkt, obwohl ich diese Hände noch nie in meinem Leben berührt habe. Sie lösen sich, ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich drehe mich fluchtartig wieder weg, senke meinen Kopf. Verlegenheit macht sich breit und mit jedem Mal frage ich mich umso mehr, was sie wohl denken würde. Vielleicht würde sich der Abend doch noch ganz gut entwickeln. Jedenfalls erscheint mir die Begegnung mit ihr sehr .. anziehend, anregend, außergewöhnlich. Stille umhüllt unsere Lippen.

"Und was machst du hier?", fragt sie mit einem lässigen Unterton. Habe ich jemals schon einmal jemanden so reden gehört? Es fesselt mich. Eine angenehm riechende Duftwolke steigt in meine Nase. Gelöst ziehe ich an meiner Zigarette. [...]

Fortsetzung folgt ...


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Jule. Kein Intelligenzbolzen, aber wenigstens schaffe ich es Texte auf die Beine zu stellen oder ab und zu mal irgendwas zu kritzeln oder zu fotografieren. Deshalb würde ich mich als kreativ bezeichnen. Ich denke zu viel und nehme so gut wie alles persönlich. Ich bin lesbisch. Frauen sind die schönsten Wesen der Erde. Aber insbesondere liebe ich meine Freundin, die es immer wieder schafft mich zum Lächeln zu bringen und mich beeindruckt und glücklich macht. Und dafür danke ich ihr. Ich liebe dich. Feiert euch Hipster!

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